Projekt Naturerleben Inklusiv

Bericht Winne Simon

Glücklicherweise ist die kleine Wandergruppe schon vormittags unterwegs, so dass sie vom später einsetzenden Platzregen verschont bleibt. Zum ersten Mal sind mit dabei: Jo Jo Botuli und Chantal Dilukila. Die anderen treuen Wandererinnen und Wanderer Roonak, Samo, Sonya, Mack und Winne kennen die Rurauen schon von früheren Ausflügen her, doch für alle hält Maria Hinz noch eine besondere Überraschung bereit. Wie immer gibt sie mannigfache Einblicke in den Artenreichtum der heimischen Tier- und Pflanzenwelt. (Doch was bedeutet in der globalisierten Welt schon 'heimisch'?)

Die Wanderer machen kurz Halt vor einer alten knorrigen Weide; Samo hat recht: Besser nicht versuchen hochzuklettern, denn die morschen Äste würden schnell wegbrechen; Weiden lieben feuchten Untergrund und wachsen an vielen Stellen entlang der Rur. Hauptverwendungszweck sind die Weidenzweige zur Herstellung von Flechtwaren, von Körben und Kiepen, verwendet beim Bau von Fachwerk. Schon im 18. Jahrhundert kam die Weide auch in der traditionellen Volksmedizin zum Einsatz, denn die Weidenrinde enthält fiebersenkende (antipyretisch), entzündungshemmende (antiphlogistisch) und schmerzlindernde (analgetisch) Wirkstoffe; zu Beginn des 19. Jh. entdeckten Chemiker dann den besonderen Wirkstoff der Weidenrinde, Salicin, und es gelang, ihn in Form von ASS im allseits bekannten Medikament Aspirin zu synthetisieren.

Schützen, Beobachten, erhalten“ ist das Motto des NABU (Naturschutzbundes Deutschland); aus den 4 Beobachtungsluken der Beobachtungsstation des NABU-Kreisverbandes lassen sich, auch mit fest installiertem Fernrohr, eine Vielzahl von Wasservögeln, - mehrere Entenarten, Eisvogel, Graureiher, Zwergtaucher, Kormoran, Gänse und Schwäne beobachten. Die Gruppe hat Glück, denn auf einem Floß unmittelbar vor der Hütte lässt sich einer der schönsten Vögel in Deutschland, der bunte Eisvogel, kurz blicken, einen gerade erbeuteten Fisch im Schnabel. An den Hüttenwänden sind beeindruckende Fotos der vorkommenden Wasservogelarten angebracht. Einge Vogelnester, wie eine Spechthöhle, das Nest des Pirols und Zaunkönigs, auch ein Hornissen- und Bienennest sind in der Hütte aufbewahrt. In Beobachtungsteichen neben der Hütte kann man Frösche, Kröten, Molche und Flußkrebse betrachten und in die Hand nehmen. Die Indianer -Schmuckschildkröte hat "Migrationshintergrund" und stammt aus Amerika; leider kann sie nicht in den hiesigen Gewässern ausgesetzt werden, da sie aufgrund ihrer Größe einheimische Arten verdrängen würde. Achim Schuhmacher, ehrenamtlicher Mitarbeiter der Station, berichtet von weiteren interessanten 'Migrations-Biographien': So stammen die Kanadagänse, wie der Name sagt, aus Kanada, allerdings sind sie nicht von dort direkt nach Europa gelangt. Anläßlich eines Staatbesuches hatte der kanadische Premierminster der englischen Queen einige Gänsepaare zum Geschenk gemacht; sie fanden zunächst eine Bleibe in einem britischenTierpark, von wo aus einige jedoch ausbüxten und sich sich von den britischen Inseln auf den Weg nach Europa machten; hier wurden sie schnell heimisch, zum Leidwesen anderer Wasservögel, denen sie das Revier streitig machten. Ähnliches gilt für die Rostganz aus den den innerasiatischen Steppen und Halbwüsten, die Schleiereulen und Turmfalken ihre Brutplätzen in Scheuen, Kirchtürmen und Dachstühlen streitig macht.

Auf dem Rückweg lenkt Maria die Aufmerksamkeit auf die Uferböschung. An einem Weidebäumchen, sieht man die frischen charakteristischen Nagespuren eines Bibers in Form einer 'Sanduhr': die Arbeit ist weit fortschritten, das Bäumchen ist kurz vor dem Umknicken. Warum fällen Biber Bäume? Sie sind sind reine Vegetarier. Während andere Tiere Winterschlaf halten, bleibt der Biber am Fluss und frisst kiloweise Rinden von Weidenbäumen und -büschen. Am besten schmecken die feinen Zweige und Knospen hoch oben in den Kronen. Doch wie soll das 20 bis 30 kg schwere Tier hinaufkommen? Der Biber ist ein perfekter Schwimmer und Taucher, aber kein Kletterer. Also legt er die Gehölze kurzerhand flach. Die Biberhöhle ist bestens geschützt: Unter der Wasseroberfläche gräbt der Biber den Eingang zum Wohnkessel, der selbst liegt über dem Wasser liegt.

Und nun kommt die angekündigte Überraschung. Maria zieht einen Biber aus der Tasche: Nun ja, keinen kompletten Biberkörper, aber immerhin das Fell mit den scharfen Klauen und den Schädel mit dem charakteristischen Gebiß: Die äussere Schicht der vier scharfen Schneidezähne (Zahnschmelz) ist mit Eisenablagerungen versehen. Sie machen die orange Farbe aus. Weil der Zahnschmelz härter ist als das innenliegende weisse Dentin, nutzen sich die beiden Schichten verschieden stark ab und die Nagezähne schärfen sich ständig und automatisch. Zudem sind die Schneidezähne wurzellos und wachsen permanent nach. Das Biberfell ist besonders am Unterbauch ganz weich, was früher für die Bekleidungssindustrie seinen hohen Wert ausmachte. Vor 30 Jahren war der Biber in unseren Breitengraden ausgerottet; durch konsequenten Schutz und Auswilderung haben sich die Bestände des Europäischen Bibers in den letzten Jahrzehnten wieder erholt. In den Rurrevieren leben jetzt wieder ca. 350 Tiere.

Nach ca. 4 Stunden ist die Wanderung zu Ende. Einige frösteln ein wenig, weil sie ohne wärmenden Biberpelz unterwegs waren, doch freuen sie sich schon jetzt auf das nächste Jahr, wo, bei hoffentlich angenehmeren Temperaturen, weitere interessante Exkursionen geplant sind. Es wird rechtzeitig Bescheid gegeben. Alle sind herzlich eingeladen teilzunehmen!

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